MODE - KÖRPER - MODE

Fotografien eines Jahrhunderts

  12. Mai 2000 bis 28. Januar 2001


Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg

  foto: Regina Relang, Kleid von Givenchy, Paris, 1954

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Neue Motive aus der für die Zwanzigerjahre charakteristischen Welt eroberten in Form von Alltags-, Frei-zeit- und Sportszenen die Modebildwelt. Frauen wurden oft mit ganz neuen Posen und Outfit präsentiert: selbstbewusst, lässig, sportlich. Resultierend aus der Emanzipationsbewegung des 19. Jahrhunderts und bedingt durch die Notsituation nach dem Krieg waren viele Frauen berufstätig und damit gesellschaftlich selbstbewusster geworden. Als Produzentin und Konsumentin wurden sie zur neuen Zielgruppe der Illu-strierten. Die so genannte ‚neue Frau' war - zumindest in ihrem Idealbild - berufstätig, häufig gleichzeitig Mutter und Hausfrau, sportlich, trug modisch kurz geschnittene Haare und stand dem Mann als ebenbürtige Partnerin zur Seite. Die Bandbreite des Typus von Identifikationsfiguren der ‚neuen Frau' reichte von der so genannten ‚Garçonne' mit Bubikopf bis zur ‚Mondänen' im Stile von Lil Dagover. Auch die extremen Perspektiven der Avantgarde des ‚Neuen Sehens' und der ‚Neuen Sachlichkeit', die sich in den Zwanzigerjahren in Abgrenzung von der so genannten Kunstfotografie der Jahrhundertwende her-ausgebildet hatten, finden ihren Einsatz in der Modefotografie. Dazu gehören Experimente mit Perspekti-ven, Ausschnitten und der Isolierung einzelner Details einerseits, sowie andererseits eine genaue Detail- und Oberflächenwiedergabe, die die neue Bildsprache kennzeichneten. Hinzu kamen Einflüsse der, durch die Erfindung der Leica, aktuellen Kleinbildfotografie. Viele Frauen fanden in der Fotografie, deren Möglichkeiten sich im Rahmen der expandierenden Bildpresse ständig erweiterten, neue Tätigkeitsfelder. Seit 1900 wurde die Ausbildung zur Fotografin an speziellen Schulen oder im Atelier selbstverständlich. 1931 wurden bereits 100 von 600 Berliner Ateliers - man denke an Namen wie Hedda Walther oder Yva - von Frauen geführt. In den Dreißigerjahren gewann der Einfluss des jungen Mediums Film, das durch den Wechsel vom Stumm- zum Tonfilm immensen Aufschwung erhielt, auf die Modefotografie zunehmend an Bedeutung. Schauspie-ler, die vordem nur in ihren Kostümen fotografiert worden waren, lichtete man jetzt in ihrer Privatgarderobe ab. Der Kult um die Stars der Leinwand prägte Moderichtungen und kreierte Idealtypen. In den Dreißigerjahren blühte die Modeindustrie in Deutschland, insbesondere Berlin. Nach der Machtüber-gabe an die Nationalsozialisten und der darauf folgenden Gleichschaltung der Bilder jedoch mussten immer mehr jüdische Fotografen und Modemacher emigrieren. Andere, die blieben, wie beispielsweise die Foto-grafin Yva, wurden verschleppt und umgebracht. Nach dem Krieg erholte sich die Branche nur langsam, viele Talente, aber auch Werte und Normen waren unwiederbringlich verloren gegangen. F. C. Gundlach repräsentiert den Wandel der sich zu Beginn der Sechzigerjahre ändernden Moden und Modells sowie des Images der Modefotografen. Er fotografierte die Stars des Nachkriegsfilms und die klas-sische Mode für die zwischen 1949 und 1962 erschienene Zeitschrift Film und Frau. Trendbildend für die sechziger und Siebzigerjahre in Deutschland war die Zeitschrift Brigitte, die seit 1954 unter diesem Namen auf dem Markt ist und jährlich Schwerpunkthefte zum Thema Mode veröffentlichte. Die Sechziger waren die Dekade des Dissenses und der Anti-Kriegs-Demonstrationen, vor allen Dingen waren sie gekennzeichnet von dem Verlangen nach den gleich Rechten für Frauen und Minoritäten. Die Mode erlaubte sich Eskapaden und kreierte teilweise untragbare Kleider, die mit Helmen aus Aluminium verbunden waren, oder Kleider, die von mehreren Personen getragen werden konnten, um Frieden und Gemeinschaft, eine neue Form der Familie zu demonstrieren. Swinging London wurde zum Mittelpunkt der Mode, die Mary Quant mit einer kleinen Gruppe von Designern in Chelsea entwarf und vermarktete. Dieser Einfluss war so groß, dass selbst Pariser Couturier-Häuser diesen Look übernahmen. Junge Mode und gesellschaftliche Aufbruchsstimmung um 1968 enden in den Neunzigerjahren im beliebi-gen Revival von Modetrends. Mit der Trash-Mode als Antimode scheint das Diktat des Modischen endgültig gebrochen. Auch heute noch, im Zeitalter der Bilderflut unterschiedlichster Medien, üben Modebilder einen besonderen Einfluss auf den Betrachter aus. Dieses gilt sowohl für Fotografien der aktuellsten Modelle der Haute Coutu-re auf den Modeseiten der Zeitschriften als auch für die Moden, die in Film und Fernsehen erscheinen. Mo-debilder spiegeln vielfach die Träume und Wünsche des Betrachters und der Betrachterin wieder. Modefotografien begleiten und illustrieren den schnellen Wechsel der Mode. Diese transzendiert nicht nur Trends und ist Spiegel des Lebensstils einer Zeit, sie reflektiert ebenfalls das Selbstgefühl der Menschen, deren Träume und deren Sehnsüchte. Insofern sind die Modefotografien ein Statement der Fakten und kreieren Illusionen. Ihr Erfolg hängt dabei weniger von den Wünschen ab, die die Bilder suggerieren, als von unserer Bereitschaft, uns mit der vorgestellten Mode zu identifizieren. Claudia Gabriele Philipp