TELEVISIONS
Kunst sieht fern

18. Oktober 2001 - 6. Jänner 2002

www.KUNSTHALLEwien.at

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fig.: Candice Breitz: Double Annie, 1985/2000, Aus der Serie / from the series: Four Duets, 2000, Standbild / still, Courtesy Galerie Johnen & Schöttle, Köln

Fernsehen ist das populärste Medium der letzten 50 Jahre. Es ist nicht nur unser Hauptlieferant für Information und Unterhaltung, sondern erfolgreicher Tröster der Einsamen, beliebtes Kindermädchen, Entspannungsmittel und für manche Volkskrankheit Nummer 1. Fernsehen ist das größte Sammelbecken kollektiver Erinnerungen und schafft und verändert Identitäten - nicht zuletzt, weil es Privates öffentlich macht. Immer wieder löst das Fernsehen heftige Debatten aus, übernimmt die Rolle des ewigen Sündenbocks für die angebliche "Verdummung" der Gesellschaft oder den Verfall der Moral. Fernsehen ist überall und doch wird es manchen kulturellen Kreisen immer suspekt bleiben.

Televisions - Kunst sieht fern präsentiert wie Künstlerinnen und Künstler all diese Fernseherfahrungen in ihre Arbeit integriert, kritisch hinterfragt und gelegentlich auch neu erfunden haben. Couch Potatoes, Talkmaster, Quiz- und Nachrichtensendungen, glamouröse Abend-Shows und TV-Talks werden analysiert und ironisiert. Die Ausstellung dokumentiert Künstlerinitiativen für ein anderes Fernsehen, stellt Methoden des anhaltenden Bilderrecyclings vor und zeigt, daß das Fernsehen mehr ist, als eine leicht zugängliche Fundgrube für Videokunst.
Erstmals werden die vielfältigen Einflüsse und Reaktionen unterschiedlicher künstlerischer Generationen auf das Fernsehen in dieser Breite vorgestellt. Die Schau vereinigt in einer einzigartigen Zusammenstellung über 100 Arbeiten mit besonderem Schwerpunkt auf den 80er und 90er Jahren. Malereien, Fotografien, Skulpturen, Installationen und Videoarbeiten machen deutlich, wie intensiv Künstler mit unterschiedlichem sozialen und ideologischen Hintergrund in spielerischer oder auch seriöser Weise über Fernsehen nachgedacht haben. Jenseits eines Lamento über das Eindringen des Massengeschmacks der Kulturindustrie in die Bildende Kunst zeigt "Televisions - Kunst sieht fern" das kreative, kritische und komplexe Potenzial dieser Wechselbeziehung auf.

Die Präsenz des Fernsehens wird auf verschiedenen Ebenen erlebbar, von buchstäblichen (d.h. ikonographischen) Bezugnahmen auf das allgegenwärtige Objekt Fernseher bis hin zu eher indirekten Anspielungen auf die Atmosphäre eines fernsehdurchspülten Lebens. Einige Künstler liefern eine ausgeklügelte Kritik der soziopolitischen Wirkungsweisen des Fernsehens, andere ziehen es vor, die ästhetischen Effekte und Affekte des Fernsehens in aller Ambivalenz zu zelebrieren, und wieder andere lassen den Widerschein des Fernsehens an den Rändern ihrer Arbeiten aufleuchten.
Der Bogen spannt sich von William Wegmans Fotoarbeit "T.V." (1972), die die Komik einer häuslichen Szene vor dem Fernseher entlarvt, bis zu Thomas Demands Fotografie "Studio" (1997), einer Rekonstruktion eines Fernsehstudios. Sarah Charlesworth analysiert in "Movie - Television - News - History, June 21, 1979" (1979) die Verbindungen zwischen Fernsehen und Zeitungsberichterstattung. Maurizio Cattelans Skulptur "If a tree falls in the forest and there is no one around it, does it make a sound?" (1998) ist ein unterhaltsames Hybrid eines Esels und eines Fernsehgeräts. Das Video "Lullaby" (1998) von Doron Solomons dokumentiert die Übertragung des Konflikts und der Gewalt im Nahen Osten durch das Fernsehen; LOT/ek entwickelt mit "TV-Tank" (1999) eine neue Umgebung, um fernzusehen und Pipilotti Rist paraphrasiert mit "Das Zimmer" (1994) die visuelle Allmacht des Fernsehgeräts.

"Zu Beginn eines neuen Jahrhunderts ist ein günstiger Augenblick auf den Einfluß des Fernsehens zurückzuschauen und seine Beziehungen zu den visuellen Künsten auszuloten", so Kurator Joshua Decter. "Televisions fordert die Besucher auf, Kunst durch den Filter des Fernsehens zu betrachten und neu einzuschätzen - und umgekehrt."

Teilnehmende Künstler und Künstlerinnen:
Maike Abetz / Oliver Drescher, Vito Acconci, Ant Farm, Apsolutno, Art Club 2000, Michel Auder, John Baldessari, Martin Beck, Mark Bennett, Ashley Bickerton, Dara Birnbaum, Dike Blair, Candice Breitz, Chris Burden, Miguel Calderón, Sophie Calle, Maurizio Cattelan, Sarah Charlesworth, Larry Clark, Hans-Christian Dany / Christoph Schäfer, Thomas Demand, Jessica Diamond, Jan Dibbets, Do-Foundation, Peter Dombrowe, Tracey Emin, Harun Farocki / Andrei Ujica, GALA Committee, General Idea, Nan Goldin, Paul Graham, Simon Grennan / Christopher Sperandio, Keith Haring, Astrid Herrmann, Christine Hill, Jonathan Horowitz, Jim Isermann, Sanja Ivekovic, Christian Jankowski, Martin Kippenberger, Alexander Kluge, Barbara Kruger, Sean Landers, Louise Lawler, LOT/ek, Miltos Manetas, Dorit Margreiter, Allan McCollum, John Miller, Antonio Muntadas, Tony Oursler, Nam June Paik, Paper Tiger Television, Philippe Parreno, Zhang Peili, Raymond Pettibon, Daniel Pflumm, Richard Prince, David Reeb, Tobias Rehberger, Pipilotti Rist, Gerwald Rockenschaub, Ursula Rogg, Julian Rosefeldt, Martha Rosler, Christoph Schlingensief, Ilene Segalove, Richard Serra, David Shrigley, Laurie Simmons, Michael Smith / Joshua White, Doron Solomons, Wolfgang Staehle, Haim Steinbach, Szuper Gallery, TVTV, Van Gogh T.V., Klaus vom Bruch, Carrie Mae Weems, William Wegman, Olav Westphalen, Måns Wrange, Joseph Zehrer

Konzept / Kurator: Joshua Decter, New York
Projektleitung: Gabriele Mackert, Kuratorin Kunsthalle Wien
Ausstellungsarchitektur: veech.media architecture

Veranstaltungsprogramm
In einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm wird "Televisions - Kunst sieht fern" mit Diskussionen, Filmen, Clubabenden und Konzerten auf einer diskursiven, performativen und audiovisuellen Ebene weitergeführt.


Katalog zur Ausstellung:
Mit Texten von José Luis Brea, Joshua Decter, Justin Hoffmann, Gabriele Mackert, Robert Riley und Künstlerstatements, deutsch, 312 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen.
Kunsthalle Wien (Hrsg.), ISBN 3-85247031-5. ATS 290,- (Euro 21,07)