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Univ. Prof. Dr. Annemarie Bönsch

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Kostümhistorikerin am Institut für Kostümkunde an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien

Dr. Annemarie Bönsch ist Österreichs bekannteste Kostümhistorikerin. Seit 1962 ist sie an der Hochschule für angewandte Kunst, dazumal noch Akademie, als Forscherin und Lehrende tätig.

Zunächst studierte Dr. Bönsch Theaterwissenschaft. Dieses Studium war ihr jedoch zu theoretisch. Also versuchte sie die Aufnahmsprüfung an der Akademie und studierte anschließend zwei Jahre lang parallel an der Universität und der Akademie, Meisterklasse für Bühnen- und Filmgestaltung. Das Interesse an dem kostümkundlichen und -historischen Hintergrund wuchs im Laufe des Studiums. Die künstlerische Ausbildung hat sie nach Abschluß der universitären Ausbildung nicht weiter verfolgt, da sie nach Beendigung des Doktorats sofort an die Akademie für angewandte Kunst als Assistentin berufen wurde. Zu dieser Zeit wurde unter Leitung von Eli Rolf neben der Meisterklasse für Film- und Bühnengestaltung die Meisterklasse für Bühnenkostüm eingeführt, die leider nur 10 Jahre den Studenten zur Verfügung stehen sollte. Diese Jahre bezeichnet Dr. Bönsch als ihre wichtigsten Lehrjahre, in denen sie sich in täglichen Fachgesprächen mit Rolf mit der Kostümkunde/geschichte beschäftigte. Hinzu kam, daß sie bereits im ersten Semester nach ihrem offiziellen Eintritt als Assistentin eine Vorlesung über die „Kostümgeschichte Europas“ abzuhalten hatte. Das Wissen für den jeweiligen Vortrag mußte sie sich erst mühsam erarbeiten.

Das praktische Wissen um die Schneiderei erhielt Bönsch bereits in Jugendjahren durch die Mutter und Verwandte, die allesamt die Schneiderei zum Beruf gewählt hatten. Eigentlich wollte sie immer Schneiderin beziehungsweise Modezeichnerin werden. Jedoch als Vorzugsschülerin wählte sie nach der 4. Klasse Mittelschule den Weg Richtung Universität.
Das praktische Wissen ist ihr noch heute in der wissenschaftlichen Arbeit mit Kostüm dienlich, und verhilft ihr nicht voreilig Schlüsse zu ziehen, sondern die Entstehung und Entwicklung von Kleidformen zu hinterfragen. Für die Ausbildung der Studenten an der Hochschule für angewandte Kunst führt Dr. Bönsch das Wissen um historische und außereuropäische Kleidformen inklusive Verarbeitungs- und Schnittechniken ins Treffen, das eine wichtige Inspirationsquelle für junge Designer bildet.

Dr. Bönsch ist dafür bekannt, daß sie für Fragen um Kostüm jederzeit und mit Begeisterung offen steht. So bleibt kaum Zeit für die Erforschung der Themen, die schon lange anstehen:
„Aber die muß ich mir nach wie vor für die Pension aufheben, weil immer wieder Themen von außen herangetragen werden, aber auch neue Themen durch die Lehrveranstaltungen zustande kommen. Im Grunde interessiert mich alles, was mit Kostüm zusammenhängt. Das wissen die Leute schon. Wenn jemand um eine Information zu mir kommt, bin ich sofort von der Sache eingenommen und es interessiert mich, wenn ich es nicht eh schon weiß, der Sache kriminalistisch auf den Grund zu gehen. So bin ich von irgendwelchen Lieblingsthemen schon wieder abgelenkt. Ich würde nach wie vor gerne mit dem jetzigen Stand meines Wissens an meiner Dissertation weiterarbeiten.“

Ihr Doktorat hat sie 1962 mit einer bühnenkostümlichen Arbeit über die Entwürfe des Antonio Daniele Bertoli abgeschlossen. Die in der Theatersammlung der Nationalbibliothek verwahrten ca. 300 Kostümentwürfe waren gedacht für die Opernaufführungen des Hofes unter Karl VI. sowie für die Maskenfeste des Hofes.

Die Faszination an der Mode liegt für Bönsch vor allem darin, daß die Kleidung als Hülle den menschlichen Körper in Silhouette bringen kann,
..die so unterschiedlich sein können, daß man es fast nicht glauben kann, wenn man sich die Silhouetten nebeneinander ansieht. Und daß diese Silhouetten nicht aus der Luft gegriffen sind, daß sie nicht willkürlich entstanden sind - das Hinterfragen dieser Formen, die da entstanden sind, und die auch heute noch entstehen, sind das, was mich fasziniert. Und daß man diese Formen nicht in den Griff kriegen kann. Man kann nicht sagen: so wird es werden, so muß es sein. Denn das hätte man in unserer hochtechnisierten Zeit schon getan, wenn man es könnte. Die Modeindustrie hätte schon in diese Forschung investiert, um zu wissen, was das Geschäft des nächsten Jahres sein wird. Wenn man es könnte, würde sich nicht nur die Kostümkunde/geschichte, sondern auch die gesamte Modebranche erübrigen.

An der Modebranche würde sie eigentlich nichts abschaffen, da ihre Neugierde um Entwicklungen in der Mode zu groß ist, als daß sie irgend etwas zu verhindern wünscht.
Der Mode-Funke ist bereits in der Kindheit übergesprungen. Daß sie in der Mode arbeiten werde, wußte sie schon immer. In ihren Zeichnungen aus der Vorschulzeit stand die geometrische, technische Lösung des Kleides im Vordergrund.

Die Auswahl der eigenen Kleidung gestaltet sich für Dr. Bönsch aufgrund ihrer Körpergröße schwierig. Da sie einerseits weder viel Zeit noch Geld für die Auswahl der Kleidung opfern will, macht sie sich die Kleidung am liebsten selber. Das ist einfacher und geht schneller, als auf die Suche nach etwas Passendem zu gehen.
Bezüglich Material beschränkt sich Dr. Bönsch nicht auf eine bestimmte Faserqualität, sondern auf den Wurf der Stoffe.
„Das bevorzugte Material soll nicht so sehr den Körper nachzeichnen, also keine weichen Stoffe, die sich anlegen, sondern kompaktere Materialien, die schärfere Konturen zeichnen.“
Die Dienstfarbe, wie sie es nennt, ist Schwarz.
„Aber Schwarz ist mit zunehmenden Alter nicht unbedingt die günstigste Farbe. Wenn das Gesicht nicht mehr so glatt ist und man den Widerschein von unten schon braucht, eine Aufhellung sozusagen, dann ist schwarz eher ungünstig. Ich bin jetzt zu einer Farbe gekommen, die schwer zu definieren ist. Sie ist eine Zusammensetzung aus Gelb, Beige, Grau. Zu viel Grau sollte aber nicht enthalten sein, denn Grau wird man von selber.“

Als Lieblingsdesigner nennt sie Miyake, Yamamoto und generell die Japaner, da diese die traditionelle Technologie des Landes im Design verarbeiten.
„Auch die österreichischen Designer sollten sich von der Technologie der eigenen Tradition anregen lassen. Sie müssen nicht unbedingt Trachtenmode machen, aber sie sollten in die Technologie einsteigen. Ein mit Federkiel gestickter Gürtel könnte der Schwerpunkt eines Entwurfes sein. Damit ist nicht gemeint, daß unbedingt ein Gürtel entworfen werden muß, sondern die Technologie der Federkielstickerei auf Leder zu einem Schwerpunkt eines gesamten Gewandentwurfes wird.“

Wenn Dr. Bönsch nicht im Bereich Mode arbeiten würde, könnte sie sich vorstellen auf die Enkelkinder aufzupassen. Eine Tätigkeit außerhalb der Beschäftigung mit Bekleidung ist für sie nicht vorstellbar.

In ihrer persönlichen Mode-Kristallkugel sieht sie eine Verschmelzung vorhandener, vergangener sowie außereuropäischer Technologien (Zuschnitt und Fertigungstechniken) im Design.
„Wir versuchen am Institut für Kostümkunde nicht nur mit den Lehrveranstaltungen sondern durch tiefere Möglichkeiten wie der Kostümsammlung zu informieren. Der Kontakt mit dem Objekt ist notwendig.“

Interessant wäre für Dr. Bönsch einerseits die Darstellung der Exponate in Buchform beziehungsweise auf elektronischem Medium, wie auch die Konzeption und Verwirklichung eines Modemuseums. Leider hat sich dafür noch keine Finanzierungsquelle ergeben. Derzeit sind die Exponate auf relativ engem Raum aufbewahrt und nur fachlich Interessierten zugänglich.
„Es gibt noch keine gute Präsentationsform für Kostüme. Die optimale Lösung ist noch nicht gefunden.“

Für die österreichische Textilwirtschaft sieht Bönsch in den Bereichen Chancen, in denen man sich auf tradierte Technologie besinnen kann. Österreichische Unternehmer können nur bezüglich Technologie international konkurrieren.
Ihrer Meinung nach stellt der Österreicher aber leider zu oft die eigene Arbeit unter den Scheffel und bewundert die Arbeiten aus dem Ausland.
„Ein Designer muß erst im Ausland Erfolg haben. Kommt er wieder zurück, wirft man ihm auch noch immer genug Prügel vor die Füße, so daß er nicht wirklich im Inland existieren kann.“

Die Funktion der Mode mit allgemeinen Begriffen zu beschreiben fällt für Dr. Bönsch schwer.
Der Mensch muß sich in einer bestimmten Zeit und Umfeld in der Kleidung bewegen. Er ist sich meist der Bindungen seiner Umwelt nicht bewußt. Zumeist meint er, er hätte völlig freie Hand. So glaubt man heute, daß alles tragbar ist. Das war sicherlich in jeder Zeit so; auch zu Zeiten der spanischen Mode. Die Mode ist nicht zu ergründen. Sie steht in der Mitte vieler Kugeln, die auf sie einwirken. Man kann jeweils nur von einem Standpunkt auf die Mode vordringen und nicht von zwei Kugeln gleichzeitig die Mode analysieren.“

Die Mode wandelt sich mit der Gesellschaft. Es gibt Zusammenhänge wie zum Beispiel die Motorisierung und die Veränderung der Gewandformen.
„Wenn ich mir in der heutigen Zeit, wo ich mich in Autos und Flugzeuge hineinzwängen muß, in der Früh eine hohe Rokokofrisur aufsetze und dazu einen großen Reifrock anziehe, kann ich Zuhause bleiben.“
Das Gefühl, daß einem alles offen steht, ist für die Entfaltung der Kreativität notwendig. Aber auch wenn man die heutigen Kollektionen betrachtet, ist eine gewisse Zusammengehörigkeit erkennbar, die man nicht einfach in eine andere Zeit transportieren kann.

Heute sind alle Menschen in die Mode integriert. Sie ist nicht mehr nur Menschen einer bestimmten Klasse oder Landes vorbehalten, sondern weltweit wird an der Mode partizipiert. Diese Situation ist gänzlich neu in der Geschichte des Kostüms. Früher war die Mode auf die Oberschicht beschränkt und wandelte sich schneller als es in heutigen Tagen üblich ist. Die Mode des 20. Jahrhunderts ist schwerfälliger geworden. Dr. Bönsch vermißt bei dieser Globalisierung der Mode das Echo zu der sehr westlich dominierten Bekleidung. Sie plädiert für die Übernahme von Technologien anderer Kulturen. Die Japaner haben als einzige diesen Trend in den 80er Jahren gut erfaßt. Bönsch spricht hier nicht oberflächliche Übernahmen wie zum Beispiel eine Saison afrikanische Muster oder Eskimo-Look an, sondern die Weiterführung von tradierten Techniken in modische Kleidung.
Als Grund, weshalb sich diese Entwicklung bislang noch nicht durchgesetzt hat, verweist Dr. Bönsch auf die Mechanik der Modeentwicklung, die jeweils Moden von erfolgreichen Völkern, wirtschaftlich, politisch, begünstigt.

Was halten Sie von der ersten deutschsprachigen fashion-zine, dem Fashion Navigator, im Internet?

„Ich halte ihn für entwicklungsfähig. Wenn eine Person sich mit Begeisterung dafür hingibt, ist eine Entwicklung gestartet, die einen gewissen Erfolg verspricht. Für mich ist wichtig, daß die Kostümtechnologie nicht zu kurz neben Interessen für die Wirtschaft, Designer kommt.“

Univ. Prof. Dr. Annemarie Bönsch - Hochschule für angewandte Kunst, Wien
Tel. +43 1 71133 - 0

Der Fashion Navigator dankt für das Interview!

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